Ralf Nuglisch und Pascal Kober (3. und 4.v.l.) umrahmt von den Waldhausmitarbeitern (v.l.) Karola Schwuch, Reena Werner, Uwe Seitz, Nina Weiß, Monika Wenzler und Selina Nüßle Foto: red
Luise ist 20 Jahre alt und hat seit langer Zeit mit starken Depressionen zu kämpfen. Die junge Frau hat vor Jahren ihren Hauptschulabschluss gemacht und muss seither im Haushalt der Eltern helfen, das Verhältnis untereinander ist schwierig.
Artikel vom 04. Juli 2019 – 17:42
HILDRIZHAUSEN (red). Luise hat keine Motivation, kaum berufliche Vorstellungen. Sie gehört zu einer Gruppe, die in der gesetzlichen Fachsprache als „schwer zu erreichende Jugendliche“ bezeichnet wird. Im März 2017 lag die Erwerbslosenquote von jungen Menschen im Alter bis 25 Jahre im Landkreis Böblingen bei 5,8 Prozent, mit einem leichten Anstieg gegenüber dem Jahr davor. Es ist davon auszugehen, dass neben den arbeitslos Gemeldeten eine Gruppe nicht sichtbarer, inaktiver junger Menschen existiert, die nicht zahlenmäßig bestimmbar ist: Das sind die sogenannten schwer zu erreichenden Jugendlichen – wie Luise.
Diese sind die Zielgruppe des Projektes YOLO („You only life once“). Zugrunde liegt der Paragraph 16 h des Sozialgesetzbuches II. Von der Umsetzung dieses Paragraphen an der Basis wollte sich nun Pascal Kober am Dienstag bei der Jugendhilfe Waldhaus ein Bild machen. Der gebürtige Sindelfinger ist derzeit Mitglied des Deutschen Bundestages, sozialpolitischer Sprecher der FDP-Bundestagsfraktion sowie Obmann seiner Partei im Ausschuss für Arbeit und Soziales. „YOLO ist ein tolles Projekt für uns im Waldhaus, da wir sehr niederschwellig mit den Jugendlichen in Kontakt treten ohne einen Haufen Anträge vorab stellen zu müssen“, erklärt Uwe Seitz, im Waldhaus der Bereichsleiter für die Jugendberufshilfe.
Ralf Nuglisch vom baden-württembergischen Sozialverband „Der Paritätische“ unterstrich die Bedeutung des Projekts. „Wenn wir allen jungen Menschen eine berufliche Perspektive eröffnen wollen, brauchen wir mehr Angebote wie YOLO.“ Dabei stützte er sich auf die Erfahrungen aus dem entsprechenden landesweiten Pilotvorhaben „Läuft?!“ des Sozialverbands. Bis 2018 wurden damit 550 junge Menschen aus Mitteln des Bundes gefördert.
Lassen sich Jugendliche aus freien Stücken helfen, kann es klappen
„Das Wichtigste am Projekt ist die Freiwilligkeit, sobald ein Zwangskontext entsteht, arbeiten wir gegen Windmühlen“, erklärt Seitz weiter. Den Zugang bekommen die Jugendlichen zumeist über das Jobcenter, manchmal auch über die psychologische Beratungsstelle, wie es bei Luise der Fall war. Für Uwe Seitz ist klar: „Die Zusammenarbeit mit dem Jobcenter steht bei uns im Waldhaus auf einer tollen Basis, dies ist einer der Hauptgründe für den reibungslosen Verlauf von YOLO.“ Dass dies nicht in jedem Landkreis der Fall ist, sei jedoch bekannt. Auch Pascal Kober reagiert darauf und meint: „Da muss politisch noch an einigen Schrauben gedreht werden, leider liegt das Thema in der aktuellen Koalition brach.“
Luises psychischer Zustand hat sich durch die Arbeit mit der Sozialpädagogin Nina Weiß aktuell stabilisiert. Durch Orientierungstests kam heraus, dass sie große Fähigkeiten im Bereich Gastronomie oder dem Hotelfach besitzt. Derzeit arbeitet sie auf 450-Euro-Basis. „Das ist wirklich ein toller Erfolg für sie“, freut sich Nina Weiß, „denn Ziel von YOLO ist es nicht zwangsläufig, die Jugendlichen in Arbeit oder Ausbildung zu bringen, sondern sie überhaupt irgendwo anzudocken.“ Für Luise ist es ein wichtiger Schritt hin zu einer selbstständigen, stabilen Lebensweise.
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