Jugendliche nach Albanien abgeschoben
Eine Gutachterin fürchtet um das Wohl der aus einer Wohngruppe des Waldhauses nach Albanien abgeschobenen Kinder.
26. April 2021, Kreiszeitung Böblinger Bote
von Gerlinde Wicke-Naber
Leonberg/Hildrizhausen – Eine Sozialarbeiterin und Juristin von der Organisation International Social Service hat die beiden nach Albanien abgeschobenen Jugendlichen Dana und Edi, die lange in der Nähe von Leonberg lebten, besucht. Ihr Bericht klingt besorgniserregend: Die Kinder seien durch die Abschiebung traumatisiert und hätten keine Möglichkeit, zur Schule zu gehen.
Die Gutachterin bestätigt, dass der zwölfjährige Edi kein Albanisch spricht und sich nur mit ihr verständigen konnte, weil seine Schwester gedolmetscht habe. Die 16-jährige Dana könne zwar albanisch sprechen, aber nicht schreiben. Ein Schulbesuch ist für die zwei daher aktuell unmöglich. Die Verwandten seien nicht in der Lage, sich um die Kinder zu kümmern, da sie selbst für ihren Lebensunterhalt auf die Unterstützung von im Ausland lebenden Verwandten angewiesen sind. Derzeit leben die Geschwister in einer kleinen Zwei-Zimmer-Wohnung, zusammen mit ihrem 24-jährigen Halbbruder und dessen hochschwangeren Frau.
Die Jugendlichen haben knapp zwei Jahre in Wohngruppen des Waldhauses gelebt
Die Jugendlichen, die von ihren Eltern alleine zurückgelassen worden waren, hatten knapp zwei Jahre lang in Wohngruppen des Waldhauses Hildrizhausen im Raum Leonberg gelebt und waren gut integriert. Die 16-Jährige bereitete sich auf den Hauptschulabschluss vor, ihr Bruder war in Sportvereinen aktiv. Kurz vor Weihnachten wurden die Geschwister früh morgens von der Polizei abgeholt und nach Albanien gebracht. Der Vormund, eine Mitarbeiterin des Böblinger Kreisjugendamts, hatte keine Möglichkeit mehr, Rechtsmittel dagegen einzulegen.
Aktuell habe niemand das Sorgerecht für die Jugendlichen, berichtete die Gutachterin. So gebe es keine Möglichkeit, in deren Namen Rechtsgeschäfte wie etwa die Beantragung von Sozialleistungen zu tätigen. Eine staatliche Inobhutnahme, wie nach albanischem Recht in derlei Fällen vorgesehen, würde zur Trennung der Kinder führen, da sie in unterschiedliche Heime kommen würden. Nach Überzeugung der Gutachterin wäre das keine geeignete Lösung, denn für beide sei das jeweils andere Geschwisterteil die einzige wirkliche Bezugsperson.
Die Hoffnung bleibt, dass die beiden Jugendlichen zurückkehren dürfen
Die Verantwortlichen in der Jugendhilfe Waldhaus nehmen diese neuen Information tief besorgt zur Kenntnis: „Wir machen uns weiterhin große Sorgen um Dana und Edi. Je länger die beiden in dieser unsicheren Situation sind, desto größer die negativen Auswirkungen auf ihre Entwicklung. Beispielsweise fehlen beiden nun schon vier Monate Schulbildung“, sagt Cordula Breining, Koordinatorin für unbegleitete Minderjährige im Waldhaus. Man hoffe weiterhin darauf, dass Dana und Edi zurückkehren könnten.
Im Februar hatte das Verwaltungsgericht Stuttgart den Eilantrag auf Rückholung der Kinder abgelehnt, obwohl die Abschiebung „mit hoher Wahrscheinlichkeit“ rechtswidrig war. Begründet wurde diese Entscheidung damit, dass die eingetretene Kindeswohlgefährdung nicht hinreichend glaubhaft gemacht worden sei. „Dieses Gutachten bestätigt die wesentlichen Umstände, die die Kinder bereits seit ihrer Abschiebung geschildert haben. Es wird deutlich, dass durch das rechtswidrige Verhalten von Behörden des Landes Baden-Württemberg eine Kindeswohlgefährdung eingetreten ist und fortbesteht“, stellt Seán McGinley vom Flüchtlingsrat Baden-Württemberg fest. Er fordert die neue Landesregierung auf, sich um eine Rückholung der Kinder zu kümmern.Unterstützer haben eine Petition zur Rückholung initiiert. Mehr als 8000 Menschen haben sie bisher unterzeichnet