Vertreter des Waldhauses und des Paritätischen Landesverbandes haben Zwischenbilanz für ihr Pilotprojekt gezogen: Mit dem berufsbegleitenden Fernstudiengang „Soziale Arbeit“ wollen sie Fachkräfte ausbilden und weitere Mitgliedsorganisationen von dem Lernformat überzeugen.
Waldhaus-Geschäftsführer Hans Artschwager (von links) mit seinen Mitarbeitern Martin Kleefeldt, Malayika Angelika Mbasse und Yousof Neisi, die zurzeit neben dem Beruf ein Online-Studium absolvieren Foto: Simone Ruchay-Chiodi
HILDRIZHAUSEN. Im Bereich der Sozialarbeit herrscht Fachkräftemangel. Seit Jahren. Durch die Flüchtlingskrise in den Jahren 2015/16 stieg der Druck zusätzlich. Personal mit der passenden Arbeitserfahrung und Ausbildung zu finden, ist für soziale Einrichtungen mittlerweile fast unmöglich. An diesem Punkt haben nun das Waldhaus und der Paritätische Landesverband angesetzt und den berufsbegleitenden Studiengang „Soziale Arbeit“ ins Leben gerufen.
Seit September 2017 haben fünf fachfremde Mitarbeiter des Waldhauses, die im Rahmen der Flüchtlingsbetreuung eine Anstellung bekommen haben, die Möglichkeit erhalten, sich an der SRH Mobile University in Riedlingen akademisch weiterzubilden. Doch kann man „Soziale Arbeit“ überhaupt online studieren? Und lassen sich Beruf und Studium miteinander vereinbaren? Bei einem Gespräch im Waldhaus gaben die Studierenden ein weitgehend positives Feedback.
Ohne Frage: Das Arbeitspensum innerhalb eines berufsbegleitenden Studiengangs ist hoch. Arbeit, studieren und Privatleben müssen erstmal unter einen Hut gebracht werden. „Die Wochenenden unserer studierenden Mitarbeiter sind durchaus inhaltsvoll gestaltet“, scherzt Hans Artschwager, Waldhaus-Geschäftsführer. Weil es sich nicht jeder leisten kann, ein Vollzeitstudium mit Präsenzpflicht zu absolvieren, müssen neue Formate her. Hauptsächlich findet das Studium also online statt, es gibt nur wenige Präsenzveranstaltungen. Das Studium läuft neben dem Beruf ab und bietet dabei einige Vorteile: Es gibt Quereinsteigern und Menschen mittleren Alters die Möglichkeit, sich beruflich weiterzuentwickeln, ohne finanziell in die Enge getrieben zu werden. „Zusätzlich arbeiten wir an einem Stipendienprogramm, das den Mitarbeitern unserer Mitgliedsorganisationen finanzielle Unterstützung geben soll“, erklärt Ursel Wolfgramm, Vorstandsvorsitzende des Paritätischen Baden-Württemberg. Der Studiengang nimmt außerdem auch Interessierte ohne Abitur aber mit anderen beruflichen Qualifikationen auf.
Die Mitarbeiter des Waldhauses haben aus verschiedensten Lebenssituationen heraus ihr Studium aufgenommen. So zum Beispiel Yousof Neisi. Er war 2013 mit seiner Familie aus dem Iran geflüchtet, in seiner Heimat war er als Regisseur tätig, in Deutschland ergriff er die Chance, im Bereich der Flüchtlingshilfe eine Stelle im Waldhaus anzutreten. Ein Beruf, in dem er aufging. Nun hat ihm der Studiengang eine neue Perspektive gegeben: „Mit 39 Jahren war es mir wichtig, neben meinem Studium auch meinen Lebensunterhalt zu verdienen. Der berufsbegleitende Studiengang hat mir dabei sehr geholfen.“ Für Geflüchtete gibt es außerdem die Möglichkeit, den Studiengang auf Englisch abzulegen. Neisi hat sich jedoch für die deutsche Version entschieden, um die Sprache besser zu lernen. „Mit seinen Kenntnissen der deutschen, persischen und arabischen Sprache hilft uns Yousof auch bei der Sprachvermittlung innerhalb von Beratungsgesprächen. An emotionalen Grenzen hilft es, wenn die Menschen in ihrer Muttersprache kommunizieren können“, fügt Uwe Seitz, Berufsleiter der Jugendhilfe im Waldhaus, hinzu.
Auch Martin Kleefeldt, der als studierter Ethnologe ebenfalls fachfremd unbegleitete minderjährige Geflüchtete betreut, sagt der Studiengang zu, doch sei oftmals durch die wenigen Präsenzzeiten der Austausch zwischen Studierenden etwas schwierig. Malayika Angelika Mbasse, die ebenfalls die Chance wahrgenommen hat, ihren Bachelor zu machen, stimmt zu: „Die Kommunikation und das Miteinander der Studierenden kommen manchmal zu kurz, da eben jeder auch seinem Arbeitsalltag nachgeht.“ Jedoch sind sich alle einig, dass die Unterstützung durch die Professoren sehr gut sei.
Vorbild für andere Einrichtungen
„Wir bieten schon lange akademische Weiterbildungen an, doch die SRH bringt noch die Komponente der Flexibilität im Studium mit“ betont Beatrice Schüll, die Geschäftsführerin der Paritätischen Akademie Süd. „Das Studium kann je nach Lebenssituation gestreckt oder komprimiert werden“, fügt Ursel Wolfgramm hinzu. Mit ihrer 75-Prozent-Stelle nutzt dies vor allem Malayika Angelika Mbasse, die blockweise und intensiv an den Studieninhalten arbeitet.
Die allgemein positiven Rückmeldungen zum Studiengang sollen nun auch andere Träger sozialer Dienstleistungen motivieren, dem Fachkräftemängel auf diese Weise entgegenzuwirken. „Die SRH ist bundesweit tätig, der Studiengang könnte also durchaus überall in Deutschland eingesetzt werden“, erklärt Ursel Wolfgramm. „Die Paritätische Akademie Süd kann dabei auf jeden Fall als Erstkontakt dienen und an die SRH weitervermitteln“, ergänzt Beatrice Schüll.
Von Melissa Schaich, 09. November 2018, Kreiszeitung Böblinger Bote
https://www.krzbb.de/krz_52_111617761-13-_Mitten-im-Berufsalltag-zum-Bachelor-Abschluss.html