Ein Ohr für die gestresste Jugend

Das Waldhaus-Projekt „How to be real“ hat wichtige Erkenntnisse geliefert, wie sich Jugendliche fühlen. Vor allem eines ist für junge Menschen im Kreis Böblingen ein Dauerthema.

von Martin Dudenhöffer, 28. Juli 2025, Kreiszeitung Böblinger Bote

„Sei du selbst, denn genauso bist du perfekt“. Was als Spruch einfach über die Lippen geht, ist in der Umsetzung alles andere als leicht. Vor allem Jugendliche, die sich physisch und psychisch in einer großen Umbruchphase befinden, stehen hierbei vor Herausforderungen. Der Weg hin zu dem Punkt, an dem man mit sich und seiner Entwicklung zufrieden ist, kann steinig sein. Nicht wenige haben noch im Erwachsenenleben Probleme damit. 

Das Projekt „How to be real“ des Jugendhilfeträgers Waldhaus hat im vergangenen halben Jahr ein besonderes Augenmerk auf die Persönlichkeitsentwicklung von größtenteils Zwölf- bis 17-Jährigen geworfen. Wie nehmen sie ihre Umgebung wahr, was löst Stress aus und wie kann die Außenwelt bei der gesunden Ich-Werdung behilflich sein? 

Durch Workshops, Vorträge und eine Umfrage hat die Hildrizhausener Einrichtung wertvolle Erkenntnisse gesammelt, wie Michael Groh, Bereichsleiter Kommunale Jugendsozialarbeit beim Waldhaus, sagt: „Wir möchten den Bedürfnissen besser gerecht werden. Es ist wichtig, Trends zu erkennen.“

Überfordert vom ständigen Onlinesein

Deutlich zu Tage gefördert hat das Projekt vor allem ein wichtiges, wenn auch nicht sehr überraschendes Learning: Das Digitale ist aus der Lebenswelt der Jugendlichen nicht mehr wegzudenken. Ob es um Freundschaften, Unterhaltung, Hausaufgaben oder das Lösen von persönlichen Problemen geht – die Onlinewelt ist durch Chats, Apps und Chat GPT omnipräsent und in vielen Fällen hilfreich.

Das digitale Leben fängt heute früh an, wie Juliane Schlitz, Jugendreferentin in Weil im Schönbuch, bestätigt: „Selbst Grundschüler haben Handys.“ Eine Beobachtung aus dem Alltag: Freundschaften fände häufiger im digitalen Raum statt. „Das ist nichts Schlechtes. Junge Menschen haben die Kompetenz, sowohl virtuell als auch reale Kontakte zu pflegen“, sagt Groh. 

Nicht alle aber empfinden die digitalen Möglichkeiten als segensreich, wie Juliane Schlitz durch ein Beispiel aus der Umfrage mit rund 600 Jugendlichen veranschaulicht: „Viele verspüren Druck, immer online zu sein. Eine Person schrieb: ‚Ich wünschte, ich wäre zu deiner Zeit aufgewachsen.’“ Damit spiele sie auf die Generation der 30-Jährigen an, die in ihrer Jugend keine Dauerpräsenz des Digitalen kannten. Ein anderer formulierte sogar: „Social Media muss sterben, damit wir leben können.’“ 

Welches Motiv hinter einer solch drastischen Aussage steckt? Michael Groh vermutet: „Sie kann als Ausdruck einer tiefen Frustration und Kritik verstanden werden. Dahinter könnte die Wahrnehmung stehen, dass Social Media wie eine ‚digitale Droge’ wirkt: Sie bindet Aufmerksamkeit, erzeugt Abhängigkeit und hindert, sich dem echten Leben zuzuwenden.“ Der Pädagoge deutet den Satz auch als „stillen Hilferuf“.

Schuldruck ist ein großes Problem

Um diesen und andere Stressoren zu ergründen und etwas Konkretes entgegenzusetzen, bot das Waldhaus im März in der Gemeinschaftsschule Döffingen einen SPA-Mittag an. „Wir haben sehr oft gehört, dass sie neben dem sozialen Druck aus den Medien ganz besonders unter Schulddruck litten. Hier sind die Anforderungen gestiegen, die Räume für Selbstentfaltung immer kleiner geworden“, berichtet Martin Orendt, Jugendreferent in Hildrizhausen und Altdorf.

Entspannungstechniken und Achtsamkeitsübungen sollen helfen, der Spirale von Leistungsdruck zu entfliehen. Auch Spieleangebote, Impulsvorträge von Rednern mit wenig gradlinigen Biografien oder ein Kochworkshop mit Waldenbuchs Bürgermeister Chris Nathan fanden statt. 

Auch wenn die Schwerpunktveranstaltungen von „How to be real“ mit dem Ende des Schuljahres abgeschlossen sind, werden die Themen Identitätsfindung, Persönlichkeitsentwicklungen und damit verbunden auch alle Hürden und Herausforderungen weiterhin Gegenstand der täglichen Arbeit sein. „Wir sind nun dabei, auch für Eltern ein Format vorzubereiten, um mit ihnen über unsere Erkenntnisse zu sprechen. Denn auch Eltern sähen sich in der Pflicht , Jugendliche eng zu begleiten, denn – das wurde auch deutlich – sie dienen nach Ansicht der Heranwachsenden weiterhin als Hauptressource“, betont Michael Groh. 

Der eigens vom Waldhaus-Team entwickelte Methodenkoffer zur Begleitung junger Menschen in ihrer Entwicklung wird in den Jugendhäusern wie auch den Schulen an ein fester Bestandteil werden.

Ein Projekt für Jugendliche

Interkommunal
Das Jugendprojekt zum Thema Identitätsbildung „How to be real“ gab es an allen Waldhaus-Standorten Hildrizhausen, Altdorf, Weil im Schönbuch, Holzgerlingen, Waldenbuch und Grafenau.

Veranstaltungen
Vom Reden über Spielen und Kochen bis hin zum Meditieren war bei dem Projekt einiges geboten. Eine Übersicht gibt es auf https://www.waldhaus-jugendhilfe.de/htbr/

https://www.krzbb.de/inhalt.erkenntnisse-aus-waldhaus-projekt-wie-die-jugend-social-media-wahrnimmt.7b236f7f-964e-45da-a6c0-bf2f229d93c7.html