Feuerprobe für Grafenaus Jugendarbeit
Die Gemeinde hat ihre Jugendsozialarbeit im Frühjahr personell neu aufgestellt. Zunächst arbeitet das Team im Corona-Krisenmodus.

Artikel vom 14. August 2020 – 19:00
Von Martin Dudenhöffer
GRAFENAU. Kinder zu beschäftigen, ist schon an sich eine große Herausforderung. Wer selbst Kinder hat oder täglich mit ihnen arbeitet, kann davon ein Lied singen. Sie wollen bespaßt werden und die Welt erklärt bekommen. Später, wenn sie älter sind, benötigen sie ebenso Angebote und bekanntlich ihren Freiraum. Für Eltern also durchaus eine Mammutaufgabe.
Auch die Gemeinde Grafenau engagiert sich für ihre Jüngsten. Mit der Dätzinger Grund- und der Döffinger Gemeinschaftsschule haben mehrere Hundert Kinder und Jugendliche im Ort ihre schulische Heimat. Aber auch über den Unterricht hinaus wird der jüngeren Generation ein vielfältiges Angebot gemacht. Eine Hauptrolle darin spielt die Kinder- und Jugendsozialarbeit.
Nachdem im März die Schulschließungen beschlossen wurden, änderte sich auch für die Grafenauer Schüler und Lehrer der bewährte Alltag. Doch nicht nur von ihnen wird seither größte Flexibilität erwartet, auch die Mitarbeiter der kommunalen Jugendarbeit sind geforderter denn je, darunter die beiden „Neuen“, Franziska Enders aus dem Jugendreferat und Sandra Leismann, Schulsozialarbeiterin der Gesamtschule Döffingen.
Start in die neue Stelle von den Corona-Maßnahmen überschattet
Für die zwei Sozialpädagoginnen hieß es im Frühjahr, gleich zu Beginn: „Rein in den Krisenmodus.“ Statt der üblichen Gruppenprojekte zu Alkohol, Mobbing oder Gewalt, wurde individuell gearbeitet, gezoomt und telefoniert. „Ursprünglich war der Plan, uns nach unserem Antritt in den Schulen vorzustellen. Das war durch Corona unmöglich“, schildern Enders und Leismann ihren Start, der durchaus einer Art Feuerprobe glich.
Um den Jugendlichen als Vertrauenspersonen zur Verfügung zu stehen, mussten sie sich zunächst bekannt machen – in Corona-Zeiten keine leichte Aufgabe. Damit das gelingen konnte, waren die Frauen vor allem digital präsent. Leismann machte durch einen Video-Auftritt auf sich aufmerksam. Enders sieht im bei Jugendlichen beliebten Instagram eine geeignete Kommunikationsplattform: „Dort erreichen wir Jugendliche direkt und niederschwellig.“
Schon in den ersten Monaten hatte sich nach Meinung von Bürgermeister Martin Thüringer die enge Vernetzung zwischen den Akteuren der kommunalen Jugendsozialarbeit bezahlt gemacht. Thüringer betont, wie froh er über die funktionierenden Strukturen zwischen Jugendreferat, Schulen, Waldhaus und Stegmühle ist. Diese sind auch vonnöten, wie der Bürgermeister erzählt: „Wir haben das Gefühl, dass der Draht zu den Jugendlichen schwieriger herzustellen ist und es mehr Auffälligkeiten zu beobachten gibt.“ Hier kommen die Sozialpädagogen ins Spiel.
Michael Groh ist Bereichsleiter für Kommunale Jugendarbeit/Sozialarbeit im Verein Waldhaus in Hildrizhausen, der auch für andere Kommunen im Landkreises tätig ist. Er sieht besonders viel Bedarf bei den Heranwachsenden im Alter von 13, 14 Jahren. „Bei dieser Zielgruppe ist wichtig, nah dran zu sein, auf ihre Bedürfnisse zu hören und überhaupt bekannt zu sein als Ansprechpartner für ihre Anliegen.“
Sonst geschieht das, was der Bürgermeister beschreibt: „Wenn wir im Ort nichts anbieten, gehen die Jungs und Mädchen nach Sindelfingen und Böblingen. Dann haben wir sie nicht mehr bei uns.“ Dabei ist Familienvater Thüringer wichtig zu erwähnen, dass es nicht darum gehe, die Jugend zu kontrollieren, sondern sie anzuleiten. Trotz knapper finanzieller Mittel sei das in Grafenau bislang gut gelungen, dennoch wünscht sich der Bürgermeister mehr politische Unterstützung.
Kinder waren überaus froh über die schrittweise Öffnung der Schulen
Ein Beispiel für eine gelungene Kindersozialarbeit ist die Grafenauer Institution Stegmühle. Sabine Ekenja ist seit vielen Jahren dort anzutreffen. Sie weiß, warum die Kids die Einrichtung so gerne aufsuchen: „Hier sind sie in der Natur, können mit Wasser spielen und sich auch mal dreckig machen.“ Während des Lockdowns fiel auch dieses Angebot flach. Als nach einigen Wochen die Stegmühle wieder besuchbar war, sah Ekenja nur strahlende Gesichter.
Auch Schulsozialarbeiterin Leismann, die im April ihr Büro in der Döffinger Gesamtschule bezog, kennt diese Reaktion: „Die meisten Schulkinder waren heilfroh, als sie wieder kommen durften. Gerade den sozial benachteiligten Familien fiel die Zeit nach der Schulschließung schwer.“ Auch ohne Schüler um sie herum, Arbeit hatte Leismann genug. Sie bemühte sich per Telefon und digital um deren Wohlergehen.
Welche Negativkonsequenzen Corona bei den Jüngsten auslöst, sei laut Groh eine „Blackbox“. Für das kommende Schuljahr rechnet er, durch den Unterrichtsausfall und einiger familiärer Konflikte, mit deutlich mehr Problemfällen. „Der Fokus wird daher auf der Einzelfallhilfe liegen.“ Im Hinblick auf den Herbst fügt Enders hinzu: „Wir werden auch die politische Bildung stärken.“ Denn wie bei Erwachsenen kursierten auch bei einigen Jugendlichen Verschwörungstheorien rund um Covid-19. Also Arbeit genug für Grafenaus Jugendarbeiter nach den Sommerferien.
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