Jugendarbeit: Nähe aus der Distanz schaffen
Leonberg. Mit ihren Angeboten steht die Jugendsozialarbeit gegenwärtig vor vielen und neuen Herausforderungen.
Von Arnold Einholz, Leonberg Kreiszeitung 05. Mai 2020
Die aktuelle Situation stellt auch die Jugendsozialarbeit Kernstadt des Waldhauses vor die Herausforderung, kreative Lösungswege und Arbeits- weisen zu entwickeln. Beratungsgesprä- che innerhalb der Einzelfallhilfe finden mittlerweile fast nur noch per telefonischen Kontakt oder über E-Mails statt. Hilfesettings im persönlichen Kontakt können nur im Ausnahmefall stattfinden.
„Die Jugendsozialarbeit hat auch besonders jetzt den Anspruch, nicht zu ru- hen und weiterhin ansprechbar für alle Jugendlichen zu sein und sich als vertrau- ensvolle Adresse jugendlicher Fragen und Sorgen zu zeigen“, sagt Lars Schoppe, der unter anderem für die mobile Jugendarbeit zuständig ist.
Mobile Jugendarbeit
Sonst sind die Streetworker bestrebt, Kontakte zu den Jugendlichen zu knüpfen, direkte Gespräche mit ihnen zu suchen, doch jetzt finden die Angebote im virtuel- len Raum statt: Der Mädchentreff konferiert nun als „Girls-Talks“ online. Über den den Instagram-Kanal „mobile_ju- gendarbeit_leonberg“ bekommen Jugend- liche auch in diesen Zeiten einiges gebo- ten. „Gleichzeitig findet aufsuchende Arbeit im eingeschränkten Modus statt“, sagt seine Kollegin Teresa Schweizer. Die Mobile Jugendarbeit verschafft sich unter Einhaltung der geltenden Abstandsregelungen regelmäßig einen Überblick über das Geschehen in der Stadtmitte.
Offene Jugendarbeit und
das Jugendcafé Siesta
Für den offenen Bereich werden verstärkt in den sozialen Medien Videobotschaften, Informationen und Storys mit den neuen Choreografien gepostet – die Choreos können also nachgetanzt werden! Das Jugendcafé Siesta hat mit all seinen „Siesta Dancers“ virtuellen Kontakt.
„Zweimal wöchentlich schickt das Siesta den Tanzgruppen Sprach- oder Videobotschaften“, ergänzt Katrin Rykala vom Jugendcafé Siesta.
Schulsozialarbeit
„Trotz der Einstellung des Schulbetriebs ist die Jugendsozialarbeit weiterhin ansprechbar“, erläutert Susanne Bär, die Schulsozialarbeiterin an der Gerhart- Hauptmann-Realschule. Ein reger Austausch zu den Schulleitungen werdegepflegt, wie auch zu Lehrkräften, Eltern und Schülern, für welche sich die gegenwärtige Lage des Homeschoolings als gleichermaßen herausfordernd erweist. Vor den Osterferien wurde die Botschaft „Wir sind weiterhin für euch da!“ als eines Online- Flyers sowie einer persönlichen Video- Botschaft vom Gesamtteam der Jugendsozialarbeit Kernstadt Leonberg über alle verfügbaren Kanäle verschickt.
Erzieherische Hilfen und die Wohngruppe Eichenhof
Auch wie alle anderen stationäre Jugendhilfewohngruppen des Waldhauses steht die Wohngruppe Eichenhof in Leonberg vor zahlreichen Herausforderungen und muss Tag für Tag neue Lösungen entwickeln, um das Zusammenleben von acht bis neun Jugendlichen und deren Be- treuerinnen und Betreuern auch in dieser außergewöhnlichen Zeit positiv zu gestalten. Eine Schwierigkeit ist, dass die Jugendlichen sich nun ununterbrochen in der Wohngruppe aufhalten und dort auch Unterricht bekommen.
Hinzu kommt, dass sich die Jugendli- chen aus Sicherheitsgründen ausschließ- lich auf dem Wohngruppengelände auf- halten dürfen und sie nur telefonischen Kontakt zu Freunden und Familien haben.
Durch eine abwechslungsreiche Gestaltung des Alltags, zahlreiche gemeinsame Aktionen in der Wohngruppe sowie mit regelmäßigen erlebnispädagogischer An- gebote auf dem Gelände, versuchen Ju- gendliche und Fachkräfte einem Lagerkol- ler entgegenzuwirken. Dass dabei alle Be- teiligten hin und wieder an ihre Grenzen geraten, ist sicher nicht zu leugnen. Allerdings ist in erster Linie ein hohes Maß an Flexibilität und Kreativität in der Wohngruppe zu beobachten
Die Fachkräfte und Jugendlichen des Eichenhofs zeigen ein großes Verantwor- tungsbewusstsein und gestalten nach wie vor einen möglichst abwechslungsreichen Alltag. Der Bereichsleiter für stationären Hilfen des Waldhauses, Michael Wein- mann sagt dazu: „In der Öffentlichkeit werden häufig andere Berufsgruppen als Helden des Alltags tituliert, die Mitarbei- ter von Jugendhilfewohngruppen werden dabei immer vergessen. Sie leisten unglaublich wertvolle Arbeit, ein herzliches Dankeschön dafür.“
Jugendberufshilfe
Wo bisher die sozialpädagogische Arbeit durch persönlichen Kontakt, vertrauensvolle Zusammenarbeit und der individuellen Einzelfallbetreuung geprägt war, gilt es nun, neue Wege zu finden um in Kontakt zu bleiben.
„Bereits gesetzte Ziele sollen nun nicht verworfen werden, Vielmehr liegt die Herausforderung jetzt darin, die Ziele anzupassen und sich mit ganzer Energie für die Zeit nach der Corona-Krise vorzubereiten“, sagt Judith Maier, von der Jugendberufshilfe. Da einigen Teilnehmern aufgrund von Sprachbarrieren die Kommunikation mit Ämtern und Institutionen schwerfällt, fungieren die Mitarbeiter der Jugendberufshilfe als Schnittstelle. „Im Rahmen unserer Möglichkeiten versuchen wir mit Hilfe einer Schweigepflichtentbindung im Sinne unserer Teilnehmer mit den jeweiligen Ämtern oder Institutionen zusammenzuarbeiten“, sagt Judith Maier.
Das Kidz Leonberg
In den Räumlichkeiten des Kinderhilfszentrums (Kidz) in der Distelfeldstraße herrscht eine ungewohnte Stille. Es fehlt das Lachen, Rennen und Spielen der Kin- der. Kurz: Es fehlt das gemeinsame Mitei- nander. Gerade, wenn Eltern und Kinder nun 24 Stunden am Tag im engen Miteinander sind, können Familien unter Druck geraten. Schon in „normalen Zeiten“ sind Hausaufgaben ein Grund für Diskussionen und führen zu Konflikten und Eskalationen. So kann sich die Situa- tion in den Familien schnell zuspitzen.
„Noch mehr ist dies der Fall, wenn Familien schon vorher mit diversen Problemen und Schwierigkeiten zu kämpfen hatten, wie es bei den Familien der Fall ist, die vom Kidz begleitet werden“, sagt die Leiterin Sonja Achenbach. Neben regelmäßigen Telefonaten wird nun über Skype Kontakt zu den Familien gehalten.
Tägliche Online-Verabredungen bieten den Kindern eine gewisse Struktur, um Aufgaben zu erledigen. „Wenn wir erfahren, dass Familien in finanzielle Schwierigkeiten geraten, stellen wir den Kontakt zum Verein ,Bürger helfen’, dem Träger der LKZ-Hilfsaktion „Lichtblicke her. Dort bekommen sie schnelle und unbürokratische Hilfe“, sagt Achenbach.
Für die Kinder wird auch im Einzelkontakt eine kleine Auszeit und Abwechslung angeboten, an der frischen Luft mit gemeinsamen Radtouren oder Spaziergängen – mit dem gebotenen Abstand zueinander. In der weiteren Zeit zu Hause können sie sich mit Bastel- und Rätselpa- keten, die per Post geschickt werden, die Zeit vertreiben. Zusätzlich gab es per Video eine Bastelanleitung für eine Schutzmaske und eine Anleitung für die Gestal- tung eines „Gute-Wünsche-Steins.“
Auch in Corona-Zeiten haben Kinder Geburtstag. Der kann nun aber nicht wie sonst üblich mit der gesamten Gruppe im Kidz gefeiert werden, deshalb versuchen wir unseren Geburtstagskindern den Tag ein wenig zu versüßen, indem sie eine kleine Überraschung zugeschickt bekommen“, schildert Sonja Achenbach.

Das Team der kommunalen Jugendsozialarbeit in Leonberg (von links): Jonas Weiß (Mobile Jugendarbeit und Schulsozialarbeit Pesta- lozzischule), Katrin Rykala (Jugendcafe Siesta), Lars Schoppe (Mobile Jugendarbeit und Schulsozialarbeit Schellingschule), Susanne Bär (Schulsozialarbeit Gerhart-Hauptmann-Realschule), Kristina Maurer (Schulsozialarbeit Albert Schweitzer-Gymnasium) sowie Teresa Schweizer (Mobile Jugendarbeit und Schulsozialarbeit Johannes-Kepler-Gymnasium)